Steckt in der Aufforstung von Wäldern wirklich die ultimative Lösung für unser CO2-Problem? Wir haben uns die populäre Klimaschutz-Maßnahme mal genauer angesehen.
Claudia Dlapa
Chefredakteurin
Klimaschutz scheint so einfach wie das Versenden eines E-Mails: Ein Klick auf den richtigen Button reicht aus und schwupps haben wir zum Schnäppchen-Preis das Pflanzen von Bäumen veranlasst und damit den CO2-Rucksack unserer neuen Sneakers oder sogar den Flug nach Barcelona kompensiert. Oft müssen wir nicht einmal selbst aktiv werden, sondern die Unternehmen, bei denen wir einkaufen, schmücken sich schon von vornherein mit dem grünen Mascherl der Klimaneutralität. Sie versprechen ihren CO2-Ausstoß auszugleichen, indem sie in Projekte zur Aufforstung von Wäldern investieren. Doch verpufft durch das Pflanzen von Bäumen wirklich unser Emissionsproblem?
Bäume für den Klimaschutz zu pflanzen klingt erst einmal logisch. Denn für die Superhelden mit dem grünen Cape wirkt CO2nicht wie Kryptonit, sondern das klimaschädliche Gas dient ihnen, im Gegenteil, sogar als Lebenselixier. Sie benötigen es zum Wachsen: Im Zuge der Photosynthese saugen sie es aus der Luft und lagern es als Kohlenstoff in ihren Stämmen und Ästen ein. Allein in unseren Regenwäldern sind momentan etwa 250 Milliarden Tonnen CO2 gebunden – das entspricht der 90-fachen Menge der aktuell weltweit menschengemachten Treibhausgas-Emissionen pro Jahr.
Eins ist also klar: Wälder spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Klimakrise. Doch Aufforstungsprojekte stellen nicht immer die sinnvollste Lösung für unser CO2-Problem dar.
Im Gegensatz zu künstlich hochgezogenen Wäldern sind natürliche Wälder mehr als nur eine Ansammlung von Bäumen. Sie sind perfekt ausbalancierte Ökosysteme, die durch gewachsene Synergien auf vielfältige Weise positiv aufs Klima wirken. Primär sollte es beim Klimaschutz also darum gehen, intakte Wälder zu erhalten.
Um bereits abgeholzte Bereiche wieder aufzuforsten, empfehlen Expert:innen deshalb auf naturnahe Regeneration, also Renaturierung, zu setzen. Bis sich ein natürlicher Wald wieder erholt hat, dauert es allerdings sehr lange. Renaturierung kann uns also nur langfristig beim Abbremsen des Klimawandels helfen.
Das Gleiche gilt allerdings für alle Bäume, die wir jetzt pflanzen – erst in etlichen Jahren entfalten sie ihre klimafreundliche Wirkung. Als Maßnahme, um den akuten Klimawandel abzubremsen, eignet sich Aufforstung daher nur bedingt. Zumal Aufforstungsprojekte mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert sind, die ihrem Erfolg zum Teil zuwiderlaufen.
Die Wahl der passenden Baumart für ein Aufforstungsprojekt muss wohl überlegt sein. Zum Beispiel gibt es Bäume, die mehr CO2, und solche, die weniger CO2 aus der Atmosphäre binden können. Ausschlaggebend ist etwa die Dichte des Holzes. Buchen speichern im Laufe von 100 Jahren fast eine Tonne mehr CO2 als Fichten derselben Größe. Die unterschiedliche Kohlenstoff-Speicherkapazität ist bei der Auswahl der Bäume also durchaus mitzubedenken.
Das Problem ist allerdings, dass auch für die effizientesten Arten nicht überall optimale Wachstumsbedingungen herrschen. Den richtigen Baum am falschen Ort zu pflanzen macht wenig bis gar keinen Sinn. Aufforstungsprojekte scheitern häufig daran, dass die gepflanzten Bäume mit den klimatischen Bedingungen vor Ort nicht gut zurecht kommen und in einem frühen Stadium bereits wieder absterben.
Ein Negativbeispiel ist schnell bei der Hand: 2019 pflanzten Freiwillige im Auftrag der türkischen Regierung an einem einzigen Tag die unglaubliche Anzahl von 11 Millionen Bäumen im ganzen Land. Die traurige Bilanz: Ein Jahr später waren bereits 90 Prozent der Setzlinge aufgrund von Wassermangel abgestorben. Expert:innen kritisierten, die Bäume seien “ohne Fachwissen” und schlicht und einfach “zur falschen Zeit” gepflanzt worden.
In Zeiten des Klimawandels ist der perfekte Baum für einen bestimmten Ort gar nicht so leicht zu bestimmen. Denn anders als man glauben mag, sind viele heimische Baumarten mittlerweile nicht mehr automatisch die beste Option. Oft leiden sie bereits unter der zunehmende Hitze und Trockenheit, die die Erderwärmung mit sich bringt. Wie lange sie mit dem klimabedingten Stress noch zurecht kommen werden, ist ungewiss.
Den richtigen Ort für ein Aufforstungsprojekt auszuwählen bringt ebenfalls Schwierigkeiten mit sich. Viele Flächen sind für Wälder nicht geeignet oder laufen dem Ziel, durch ihre Aufforstung mehr Emissionen zu speichern, sogar zuwider. Zum Beispiel, wenn Moore, die ihrerseits schützenswerte CO2-Senken sind, für Wälder mit weniger Potenzial trockengelegt werden.
Kritisch bemerken Expert:innen, dass Aufforstungs-Initiativen häufig auf schnell wachsende Monokulturen setzen. Wälder, in denen nur eine Baumart wächst, haben keine effektive Abwehr gegen Schädlinge und werden bei einem Befall häufig großflächig vernichtet. So hat der Borkenkäfer in Österreich bereits etliche Fichtenwälder in die Knie gezwungen.
Als weitaus widerstandsfähiger haben sich Mischwälder erwiesen. Sie bieten zudem guten Schutz für eine vielfältige Flora und Fauna und speichern größere Mengen CO2 als reine Monokulturen. Beim Absterben geben sie zudem ein Potpourri an Nährstoffen an die Erde zurück, wodurch die Qualität des Bodens und damit auch dessen Kohlenstoff-Speicherkapazität positiv gefördert wird.
Die richtigen Bäume sowie den richtigen Ort zu finden, damit sich Aufforstung bezahlt macht, ist also eine komplexe Angelegenheit. Wichtig ist, dass Initiativen von Expert:innen begleitet werden, die aufgrund ihres Fachwissens sowohl passende Orte als auch geeignete Baumarten für die Region auswählen können.
In der Tat funktioniert Regenwald aufgrund seiner ökologischen Beschaffenheit als besonders effiziente Kohlenstoffsenke. Dennoch wird auch der Kauf von Regenwald als Maßnahme gegen seine Rodung mitunter kritisch bewertet. So sind auch gekaufte und damit vermeintlich “geschützte” Gebiete vielfach durch illegale Abholzungen bedroht. Außerdem missachten Kaufprojekte häufig, dass die Gebiete bereits seit vielen Generationen von indigene Gruppen bewohnt werden, die ihrerseits Anspruch auf das Land haben.
Sinnvoller als Regenwald zu kaufen ist es daher, eben genau diese indigenen Gemeinschaften dabei zu unterstützen, zur Bewahrung und Gesundheit des Waldes vor Ort beizutragen. Eine solche Ziel verfolgt beispielsweise das Projekt All Eyes on the Amazon.
Allgemein betrachtet sind CO2-Kompensationen somit keine Lösung. Sie sind komplex und der Wert einzelner Bäume und Wälder schwer abschätzbar. Bevor wir also darüber nachdenken, wie wir das schädliche CO2 aus der Atmosphäre loswerden, sollten wir erst einmal davon Abstand nehmen, noch weitere Tonnen des Treibhausgases in die Luft zu pumpen.
Ganz oben auf der Liste unserer Maßnahmen zum Schutz des Klimas muss deshalb die Vermeidung von Emissionen stehen. Zu den Klimakillern Nummer eins zählen die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas. So rasch es geht, müssen wir sie vollständig durch erneuerbare Energiequellen ersetzen. Nur so können wir unseren CO2-Ausstoß schnell und wirkungsvoll auf das Notwendigste reduzieren.
Darüber hinaus sollten wir darauf achten, primär bestehende Wälder zu bewahren anstatt neue Bäume zu pflanzen. Alte und natürlich gewachsene Ökosysteme sind wesentlich effizientere Kohlenstoffsenken als künstlich hochgezogene Wälder. Doch auch ihr positiver Nutzen ist davon abhängig, dass wir den Klimawandel möglichst rasch abbremsen. Nehmen Waldbrände durch die globale Erwärmung weiter zu, kehrt sich der positive Effekt der Wälder irgendwann ins Gegenteil um: Das gebundene CO2 wird durch die Verbrennung wieder freigesetzt und befeuert die Klimakrise zusätzlich.
Die angepriesene Möglichkeit, per Mausklick Bäume zu pflanzen, sollte also auf gar keinen Fall als Freifahrtschein für einen verschwenderischen Lebensstil dienen. Wer bereits achtsam mit Ressourcen umgeht und zusätzlich Aufforstungsprojekte unterstützen möchte, sollte sich die Projekte ganz genau ansehen oder überhaupt in Erwägung ziehen, eine sinnvolle Initiative zum Schutz des Regenwaldes zu unterstützen. Auf keinen Fall sollten wir uns vom vermeintlich grünen Image profitgetriebener Unternehmen täuschen lassen. Hier ist vor allem die Politik gefragt, wirksame Hebel zu etablieren, um effektiv gegen Greenwashing vorzugehen.