Der Regenwald spendet nicht nur Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten, er ist auch für die Existenz des Menschen essentiell. Trotzdem nimmt seine Zerstörung aus wirtschaftlichen Interessen längst bedrohliche Ausmaße an.
Claudia Dlapa
Chefredakteurin
In den Regenwäldern unserer Erde pulsiert das Leben. Sie zeichnen sich durch besonders feucht-warmes Klimaaus, welches das ganze Jahr über in etwa gleichbleibend ist – fantastische Bedingungen für das Wachsen und Gedeihen einer Vielzahl anTieren und Pflanzen, die den Regenwald zu einem der artenreichsten Gegenden der Erde machen.
Unglaublich, aber wahr: mindestens die Hälfte aller uns bekannten Tier- und Pflanzenarten sind im Regenwald beheimatet. Und täglich werden neue Arten in seinem Dickicht entdeckt.
Einzig und allein die Tatsache, dass die Wälder Südamerikas, Zentralafrikas und Südostasiens so voller Leben sind, machen sie eigentlich schon zu einem besonders schützenswerten Naturraum. Doch nicht nur für die Pflanzen und Tiere des Regenwaldes ist der Erhalt des grünen Wunders von fundamentaler Wichtigkeit. Das gesamte Wohl des Planeten hängt eng mit dem Zustand der Tropenwälder zusammen. Bevor wir auf seine Bedrohungen zu sprechen kommen, sollten wir uns also erst einmal vor Augen führen, warum der Regenwald überhaupt so bedeutsam für uns ist.
Der artenreichste aller tropischen Wälder ist der Amazonas-Regenwald in Südamerika. 40.000 verschiedene Arten an Pflanzen, 378 Reptilien-, 427 Säugetier-, 1.294 Vögel-, 426 Amphibien- und 3.000 Fisch-Spezies leben hier. Darunter sind Jaguare, Faultiere, Papageien, Flussdelfine, Pfeilfrösche, Klammeraffen und viele mehr. Die Tiere und Pflanzen des tropischen Regenwaldes sind perfekt aufeinander eingespielt. Sie bilden eines der vielfältigsten Ökosysteme der Welt, das durch den Raubbau am Regenwald zunehmend unter Stress gerät.
Der Regenwald ist einer der wichtigsten CO2-Speicher des Planeten. Allein in seinen Böden und Bäumen sind rund 250 Milliarden Tonnen CO2 gespeichert. Das entspricht mehr als der 90-fachen Menge der weltweit durch Menschenhand verursachten Treibhausgas-Emissionen pro Jahr. Man könnte ihn als Klimaanlage der Welt bezeichnen, da er uns dabei hilft, die Lufttemperatur auf einem lebensfreundlichen Niveau zu halten.
Nicht nur Tiere und Pflanzen haben im Tropenwald ein Zuhause gefunden. Auch indigene Gemeinschaften leben seit Jahrtausenden im Wald – und zwar ohne ihm Schaden zuzufügen. Im Gegenteil trägt die indigene Bevölkerung sogar dazu bei, die Gesundheit des Regenwaldes zu erhalten. Anders als von Profit getriebene Unternehmer, die im Regenwald ohne Rücksicht auf Naturverluste ihr Unwesen treiben, achten sie darauf, seine Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Doch immer häufiger werden sie bedroht oder gar vertrieben, um Land für die Agrarindustrie freizumachen.
Wir erkennen: Der Schutz des Regenwaldes ist fundamental bedeutsam. Verschwindet er, hat das dramatische Konsequenzen für die Artenvielfalt, das Klima, indigene Gruppen und schließlich auch für uns. Dennoch schreitet die Regenwald-Zerstörung durch den Menschen weiter voran. Vor allem die Gier nach Profit wird dem Naturwunder zusehends zum Verhängnis.
Immer größere Gebiete des Regenwalds fallen den Flammen zum Opfer. Dabei handelt es sich häufig um Feuer, die illegal gelegt werden, um mehr Platz für Viehzucht und Landwirtschaft zu schaffen.
Ein Großteil der im Amazonasgebiet durch Brände gerodeten Fläche wird in Weidefläche umgewandelt. Dort, wo sich früher Jaguar und Tukan gute Nacht sagten, fristen heute Millionen von Rindern ihr Dasein im Schatten der globalen Fleischindustrie. Und auch weitere Teile von Wäldern müssen indirekt für die Viehzucht weichen: Auf riesigen Soja-Feldern in Wäldern werden Futtermittel angebaut, von denen große Teile auch in den Trögen europäischer Nutztiere landen.
Die Regenwälder Malaysias und Indonesiens werden ebenfalls für den Anbau von Monokulturen vernichtet. Hier sind es vor allem riesige Palmölplantagen, für die der Regenwald kahl geschlagen wird. Das Öl ist aufgrund seiner Streichfähigkeit in der globalen Nahrungsmittelindustrie sehr beliebt und kommt auch in Kosmetika, Waschmitteln und für die Herstellung von Biodiesel zum Einsatz.
Ein weiterer Grund für die Vernichtung des Regenwaldes ist der Abbau von Bodenschätzen. Vor allem Eisenerz, Bauxit, Tantal, Zinn, Nickel, Kupfer, Gold und Diamanten werden in Regenwaldgebieten geschürft. Die Käufer stammen hauptsächlich aus Europa, den USA und Australien – und ihre Gier nach mineralischen Rohstoffen steigt. Neben der Zerstörung, die beim Abbau verursacht wird, geht zusätzliche Waldfläche durch den Bau von Siedlungen und Straßen für die Arbeiter:innen bzw. den Abtransport der Rohstoffe verloren.
“Save a tree, don’t print this e-mail!” – Man möchte meinen, wir lebten im digitalen Zeitalter und Papier wäre längst obsolet. Doch in Wahrheit ist genau das Gegenteil der Fall. In den vergangen 30 Jahren hat die globale Papierproduktion weiter zugenommen. Opfer der Entwicklung ist der tropische Regenwald. Erneut wird sein Artenreichtum für eine Monokultur gefährdet. Vor allem Eukalyptus wird in den Wäldern Brasiliens und Indonesiens auf gerodeten Flächen zur Papierproduktion angebaut. Auch um Tische, Stühle, Kommoden oder Fußböden zu fertigen, werden oft viele hundert Jahre alte Bäume aus dem Regenwald abgeholzt. Zumeist auf illegalem Wege.
Obwohl der Regenwald für unser Leben auf der Erde so bedeutsam ist, wird sein Umfang aus den oben genannten Gründen immer kleiner. Laut Global Forest Watch (2020) werden rund 42.100 Quadratkilometer seiner Fläche jährlich abgeholzt oder abgebrannt – das entspricht etwa zehn Fußballfeldern pro Minute. Besonders im größten Regenwald der Erde, im brasilianischen Amazonas-Gebiet, hat die Zerstörung in den letzten Jahren bedrohlich zugelegt.
Das brasilianische Satellitenbeobachtungssystem PRODES stellte mithilfe von Satellitenbildern fest, dass im Zeitraum August 2020 bis Juli 2021 13.235 Quadratkilometer brasilianischer Regenwald vernichtet wurden – unglaubliche 75 Prozent mehr als noch 2018, im Jahr vor der Ernennung Jair Bolsonaros zum neuen Präsidenten Brasiliens. Seit seinem Amtsantritt sind auch die Treibhausgas-Emissionen des Landes um zehn Prozent angestiegen.
Dabei ging schon im Mai 2021 die erschreckende Schlagzeile um die Welt, der Amazonas-Regenwald sei gekippt. Wissenschaftler:innen stellten im Rahmen einer Studie fest, dass der brasilianische Teil des Regenwaldes bereits mehr CO2 ausstößt als speichert – zwischen 2010 und 2019 um rund 18 Prozent. Der Schutz des Regenwaldes sollte oberste Priorität haben, um die weltweite Klimakrise nicht noch weiter voranzutreiben und das Artensterben in den Tropen aufzuhalten.