Manganknollen, Mangankrusten & Schwarze Raucher: wertvolle Schätze der Tiefsee
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Manganknollen, Mangankrusten & Schwarze Raucher: wertvolle Schätze der Tiefsee
Die Industrie kann es kaum erwarten, die Rohstoffe der Tiefsee zu plündern. Für ihren Profit ist sie bereit, uralte Naturräume zu zerstören und unerforschte Tierarten für immer auszulöschen.
Über Jahrmillionen sind in den Tiefen der Meere einige der wundersamsten Orte unseres Planeten gewachsen: weite Felder voller dunkler Knollen, gigantische Unterwasservulkane und Schornsteine, aus denen dunkles heißes Wasser sprudelt. Die Industrie plant, die uralten Landschaften mit riesigen Maschinen umzupflügen und Urgesteine von der Oberfläche zu saugen. Sie behaupten, die dabei gewonnenen Metalle wären der Schlüssel für eine saubere Energie- und Verkehrswende. Doch was die Konzerne antreibt, ist nicht eine grüne Zukunft, sondern das schnelle Geld. Dafür sind sie bereit, kaum erforschten Tieren und Pflanzen die Lebensgrundlage zu entreißen.
Wir haben uns angesehen, was die vermeintlichen Rohstofflager wirklich wertvoll macht – und warum wir unbedingt dafür kämpfen müssen, dass die Maschinen des Tiefseebergbaus sofort kehrtmachen.
Manganknollen liegen in der obersten Sedimentschicht des Meeresbodens in Tiefen zwischen 3.000 und 6.000 Metern. Lose auf dem Grund verstreut, bilden viele der braun-schwarzen Klumpen gemeinsam große Manganknollenfelder. Die üppigsten Felder liegen in der Clarion-Clipperton-Zone westlich vor Mexiko, im Peru‑Becken des südöstlichen Pazifiks und im Indischen Ozean.
Die einzelnen Knollen wachsen wie Baumringe in Schichten. Und das sehr, sehr langsam, nämlich nur einige Millimeter pro eine Million Jahre, wenn sich im Wasser gelöste Metallteilchen an Fischgräten, Haifischzähnen oder Gesteinssplittern ablagern. Schließlich sind sie etwa Kartoffel- bis Krautkopf-groß und tragen Mangan, Kupfer, Nickel, Eisen, Kobalt und Seltene Erden in sich. Das macht die Knollen so attraktiv für die Rüstungs- und Elektronikindustrie.
Aber Manganknollen sind mehr als nur totes Metall.
Auf der Oberfläche der dunklen Klumpen entdeckt man wundersames Leben: Schwämme, Seelilien, Seesterne, Seeigel und Korallen tummeln sich auf ihnen. Die Mini-Krake „Casper“ vertraut den Manganknollen sogar ihren Nachwuchs an: Sie legt ihre Eier in die Schwämme, die auf den Kugeln wachsen, und klammert sich dann selbst fest. Bis zu vier Jahre bewacht sie ihre Brut, bis die winzigen, scheinbar durchsichtigen Kraken mit kurzen Ärmchen und schwarzen Knopfaugen auf der Knolle ins Leben starten.
Rückt die Industrie an, um die Manganknollen an sich zu reißen, werden ferngesteuerte Maschinen, so schwer wie Blauwale, auf den Meeresgrund herabgelassen. In Sekundenschnelle saugen die Planierraupen ähnlichen Ungetüme die oberste Sedimentschicht des Bodens ab, mitsamt allen Tieren und Pflanzen, die dort ihr Zuhause haben. Die Manganknollen werden aus dem Sediment gefiltert, durch ein Steigrohrsystem an die Wasseroberfläche gepumpt und die Kinderstuben der Casper-Kraken per Schiff für immer forttransportiert.
Zurück bleibt eine dichte Sedimentwolke, die viele Kilometer weit wirbelt. Das trübe Wasser ist für Meerestiere unbewohnbar. Sobald sich das Sediment wieder absetzt, erstickt es Korallen, Schwämme und andere Lebewesen am Boden.
Neben den Manganknollen gibt es auch die kobaltreichen Eisenmangankrusten, auch Kobaltkrusten genannt. Diese haben sich auf Unterwasser-Vulkanen gebildet, die bis zu 4.000 Meter hoch werden können.
Die Mangankrusten wachsen sogar noch langsamer als Manganknollen, nur ein bis fünf Millimeter in Millionen von Jahren. Im Gegensatz zu den Knollen sind sie aber fest mit dem Untergrund verwachsen. Bei der Schürfung von Mangankrusten wird wertvoller Lebensraum brutal zerstört. Das Zuhause zahlreicher Tiere, darunter Tiefseekrebse, Entenmuscheln, Garnelen oder Seegurken, steht auf dem Spiel. Aber auch Wale leiden unter dem Lärm der Monstermaschinen. Ganze Familien werden in ihrer Kommunikation und Orientierung gerstört. Im schlimmsten Fall können sie stranden.
Schwarze Raucher sind heiße Quellen in der Tiefsee. Ihren Namen haben sie bekommen, weil das Wasser, das aus ihnen austritt, dunkel und reich an Mineralien ist. Um sie herum haben sich mächtige Metallkrusten abgelagert – die Tiefseebergbauindustrie hat sie bereits ins Visier genommen.
Lange haben Forschende angenommen, die stockfinstere, etwa 400 Grad heiße Umgebung der wundersamen Unterwasser-Schlote wäre absolut lebensfeindlich. Bis sich herausgestellt hat, dass sie einer der am dichtesten besiedelten Orte der Tiefsee ist! Bakterien können aus der giftigen Schwefelbrühe Energie erzeugen. Die Mikroorganismen bilden die Nahrungsgrundlage vieler Muscheln, Röhrenwürmer, Krebstiere und Fische. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die brutalen Maschinen der Tiefseebergbauindustrie das faszinierende Ökosystem aus dem Gleichgewicht stießen.
Eine Langzeitstudie im Ostpazifik zeigt, dass sich die Tiefsee nur extrem langsam von menschlichen Eingriffen erholt. 40 Jahre nach den simulierten Abbauarbeiten sind die Testgebiete noch immer verwüstet. Größere Lebewesen sind bisher nicht zurückgekehrt. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass viele Tier- und Pflanzenarten durch Tiefseebergbau für immer ausgelöscht werden könnten.
800 führende Meereswissenschaftler:innen warnen deshalb mittlerweile davor, im artenreichen Lebensraum zu schürfen. Zu wenig wissen wir über das sensible Ökosystem und welche fatalen Folgen die Invasion der Maschinen für die Ozeane und langfristig sogar für das Weltklima haben wird.
Auch große Unternehmen haben begriffen, was durch den Raubzug in der Tiefsee auf dem Spiel steht. Konzerne wie BMW, Volvo, Samsung und Google haben sich öffentlich dazu bekannt, für ihre Produkte keine Rohstoffe aus der Tiefsee zu plündern. Und auch 24 Staaten haben sich bereits gegen Tiefseebergbau ausgesprochen.
Der Widerstand wächst weiter – zu verdanken ist das auch den zahlreichen Unterstützer:innen von Greenpeace, die bis jetzt mit uns gemeinsam öffentlichen Druck aufgebaut haben, um die wertvolle Tiefsee und ihre Tiere zu schützen. Noch haben wir die Chance, den brutalen Beutezug zu verhindern!
Eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace hat ergeben, dass wir den Bedarf an Metallen für eine grüne Verkehrs- und Energiewende auch ohne Ausbeutung der Tiefsee decken können. Dafür müssen Konzerne aufhören, Ressourcen für schnellen Profit zu verschleudern, und die Politik muss Gesetze für eine echte Kreislaufwirtschaft vorantreiben.
Hersteller sollen keinen minderwertigen Ramsch mehr produzieren, der schnell kaputtgeht und uns dazu bringt, ständig neue Dinge zu kaufen. Das ist Betrug und Verschwendung! Mehr Rohstoffe für noch mehr billige Produkte abzubauen und dabei Lebensraum zu zerstören, ist keine Lösung. Wir brauchen langlebige Geräte, die wir reparieren und deren einzelne Bestandteile recycelt werden können. Das ist im Gegensatz zu den kurz gedachten Scheinlösungen der Industrie wirklich nachhaltig.
Auch das Europäische Parlament stellt klar, dass ein großer Teil der zukünftigen Nachfrage nach Rohstoffen durch Recycling und Kreislaufwirtschaft gedeckt werden kann und soll.
Davon, endliche Rohstoffe aus einem wertvollen Ökosystem zu reißen, profitieren letztlich nur die Konzerne. Sie werden sich mit dem Abbau der uralten Manganknollen in wenigen Jahren eine goldene Nase verdienen. Im Gegensatz dazu wird es Jahrmillionen dauern, bis Mangankrusten nachgewachsen sind und Tiere wieder auf ihnen leben können.
Die gewissenlose Profitgier der Konzerne dürfen wir nicht zulassen! Wir kämpfen deshalb mit aller Kraft dafür, dass die Monstermaschinen der Tiefseebergbauindustrie kehrtmachen und ihre gierigen Krallen von Caspers Kinderstube lassen.