Containerunfall: Millionen Plastikpellets fluten spanische Strände
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Containerunfall: Millionen Plastikpellets fluten spanische Strände
Während Freiwillige unzählige Plastikpellets von der Küste Galiciens klauben, zeigt sich abermals: Um die Natur und uns vor Plastik zu schützen, brauchen wir eine globale Lösung.
Claudia Dlapa
Chefredakteurin
Millionen kleine Plastikpellets schwappen mit der Flut auf die Strände Galiciens und Asturiens. Die Bilder, die uns aus Spanien erreichen, schmerzen: Was haben die weißen Kügelchen im Sand zu suchen? Die gehören da nicht hin! Unsere spanischen Greenpeace-Kolleg:innen sind vor Ort, um zu helfen. Genauso wie viele weitere Freiwillige. Sie durchforsten ihre Küchen nach Sieben und rücken an, um die Pellets in mühseliger Kleinarbeit aus dem Sand zu schöpfen.
Die Helfer:innen brauchen einen langen Atem: 1.050 Säcke voll Plastikpellets, insgesamt 25.000 Kilogramm weiße Kügelchen, sind mit einem Container am 8. Dezember von Bord des Containerschiffs „Toconao“ gerutscht. Viele der Säcke wurden dabei zerrissen und ihr Inhalt ins Meer geschwemmt. Noch wochen-, monate- oder gar jahrelang wird die Flut die schneeweißen Plastikkügelchen an die Strände spülen.
Zunächst ist nicht bekannt, woraus die Pellets genau bestehen und welche Schadstoffe sie enthalten. Der Hersteller schweigt und schiebt die Schuld für das Desaster auf die Reederei. Wie so oft will keiner der Beteiligten Verantwortung für die Katastrophe übernehmen. Erst Wochen später kommt Entwarnung, dass beim Einsammeln der Pellets keine Gefahr für die Gesundheit besteht.
Auch die Behörden sehen zunächst keinen Grund zu handeln. Erst in der ersten Jännerwoche aktivieren sie einen entsprechenden Notfallplan. Offizielle Anweisungen, wie mit dem Müll umzugehen ist, bleiben aus. Trotzdem pilgern wir mit Freiwilligen aus der Bevölkerung an die Strände. Uns ist klar: Wollen wir das Meer und Tiere vor den Folgen des Plastikmülls schützen, dürfen wir keine Zeit verlieren. Es ist leider nicht die erste Katastrophe, die wir erleben. Ganz im Gegenteil – das Problem, dass die Umwelt mit Plastik verschmutzt wird, ist allgegenwärtiger, als uns lieb ist.
Dass ein Container vom Schiff fällt oder Pellets bei Fabriken in die Umwelt gelangen, ist kein Einzelfall. Allein in der EU landen jährlich etwa 160.000 Tonnen Plastikpellets in der Umwelt und insgesamt bis zu 12 Millionen Tonnen Kunststoff in den Ozeanen. Die aktuelle Pelletsflut in Spanien führt uns nur einen kleinen Ausschnitt eines globalen Problems vor Augen, dessen Konsequenzen uns alle betreffen.
Plastikpellets und andere Plastikteile sind eine tödliche Gefahr für Fische, Delfine, Vögel und andere Meerestiere. Sie verwechseln den Müll mit Nahrung, fressen ihn und verhungern schließlich mit vollem Magen.
Mit der Zeit zerfallen größere Plastikteile im Meer zu immer kleineren Partikeln, an deren Oberfläche sich weitere Schadstoffe festsetzen. Dadurch werden die Teilchen immer toxischer. Durch die Nahrungskette und durch Partikel in der Luft landet Plastik auch in unserem Körper.
Zahlreiche Studien und Forschungen weisen mittlerweile auf die negativen Auswirkungen von Plastik auf unsere Gesundheit und Ökosysteme hin. Die Europäische Kommission gibt an, dass Forschende negative Effekte von Plastik auf lebende Organismen festgestellt haben und dass Mikroplastik wahrscheinlich auch für den Menschen schädlich ist.
In Galicien fordern unsere Kolleg:innen nun, dass Notfallpläne für unfallbedingte Meeresverschmutzungen in Zukunft durch ein technisch-wissenschaftliches Gremium aktiviert und somit nicht mehr durch politische Entscheidungen verzögert werden. Denn die Plastikflut an der spanischen Küste zeigt einmal mehr: Lokale Behörden handeln langsam, oft unkoordiniert, intransparent – und vor allem erst, nachdem eine Katastrophe passiert ist. Doch auch mit unzähligen helfenden Händen, die unmittelbar zur Stelle sind, können wir niemals alle Plastikteile aus dem Meer oder vom Strand klauben. Geschweige denn können wir Plastikmüll aufsammeln, der laufend und unbeobachtet in der Umwelt landet.
Es gibt deshalb nur eine echte Lösung: Wir brauchen ein internationales Abkommen, das Plastik weltweit reduziert. Die Staaten müssen das Problem gemeinsam an der Wurzel packen. Nur so können wir es schaffen, viele Verschmutzungen von vornherein zu verhindern, und die Umwelt und uns so wirklich effektiv vor den Gefahren, die der schädliche Stoff mit sich bringt, schützen.
Die Reduktion von Plastik ist möglich – es existieren mittlerweile viele gute Alternativen. Hersteller müssen nur aufhören, zu den billigsten Materialien zu greifen, und stattdessen auf langlebige und wiederverwendbare Stoffe und Produkte setzen.
Noch dieses Jahr sollen die Verhandlungen der UNO über ein internationales Abkommen in die finale Runde gehen. Das ist unsere Chance! Wie auf den spanischen Stränden werden wir auch auf der wegweisenden Versammlung entschlossen auf der Seite Umwelt kämpfen. Wir werden den Entscheidungsträger:innen auf die Finger schauen und alles dafür geben, dass die Reduktion von Plastik im Abkommen verankert wird. Für einen nachhaltigen Schutz der Meere, der Tiere – und für unsere Gesundheit.