Für Tofu wird Regenwald abgeholzt? Soja ist genmanipuliert und macht Männer unfruchtbar? Wir klären auf – im Green Journal-Mythencheck.
Laura Ouf
Redakteurin
Soja ist im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Die Bohne ist in Form von Tofu, Sojadrinks und anderen Produkten nicht nur Teil unserer Ernährung – sie sorgt auch auch in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt und unsere Gesundheit für viel Gesprächsstoff.
Die Sojabohne ist eine Hülsenfrucht und kommt ursprünglich aus China. Sie wird vorwiegend in Brasilien, der USA, Argentinien, Indien und China angebaut. Mittlerweile ist sie eine der wichtigsten Nutzpflanzen.
Häufig ist uns gar nicht bewusst, wie oft wir in unserem Alltag mit verarbeiteten Sojabohnen in Berührung kommen. So findet man Soja nicht nur in Lebensmitteln, sondern auch in Schmieröl, Druckfarbe, Hautcremes und vor allem in Futtermitteln für Tiere.
Mittlerweile ist Soja weltweit eine der wichtigsten Nutzpflanzen. Ebenso weit verbreitet sind die Mythen, die sich um die Bohne ranken. Wir haben 9 von ihnen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft:
Wie umweltfreundlich oder -schädlich ein Lebensmittel ist, hängt vonvielen Faktoren ab. Ausschlaggebend sind etwa die Produktionsart, der Produktionsort, die Verwendung und der Transportweg. All diese Faktoren müssen auch bei der Beurteilung von Soja berücksichtigt werden.
Soja ist ein begehrtes Futtermittel für die Fleischindustrie, denn es enthält viel und hochwertiges Eiweiß. Für die Produktion von Futtermitteln für die Landwirtschaft wird Soja oft in riesigen Monokulturen angebaut, welche in Verbindung mit der Abholzung von Regenwäldern stehen.
Leider stammt aus eben diesen Regionen auch ein Großteil der österreichischen Futtermittel-Importe: 25,3 Prozent kommen aus Brasilien und 19,7 Prozent aus Argentinien. Darüber hinaus werden 13,9 Prozent aus den USA importiert. Die damit verbundenen langen Transportwege schaden der Umwelt, genauso wie die Düngemittel- und Pestizid-intensive industrielle Landwirtschaft in Form von Monokulturen sowie die Änderung der Landnutzung (wenn z.B. aus einem Regenwald ein Acker gemacht wird ist das besonders schlecht fürs Klima und die Biodiversität). Soja aus Übersee ist zudem häufig gentechnisch verändert und stammt selten aus umweltschonender Bio-Produktion.
Zwar gibt es bereits umweltfreundliche Alternativen, etwa Bio-Soja aus der Donauregion, doch die heimische Produktion ist derzeit bei weitem nicht bedarfsdeckend, zu groß ist der Bedarf der Fleischindustrie. Die gute Nachricht: In Österreich wurde die Anbaufläche 2022 um 22 Prozent ausgeweitet, demnach stehen nun 92.488 Hektar Anbaufläche für Soja bereit. 35 Prozent davon werden biologisch bewirtschaftet. Österreichs Landwirt:innen setzen außerdem auf wechselnde Fruchtfolgen, um die Böden gesund zu halten. Im Allgemeinen ist Soja gut für die Landwirtschaft. Denn die Bohnen binden Stickstoff und können, indem sie als Zwischenfrucht verwendet werden, den Boden damit anreichern. So kann man teures Düngemittel umgehen.
Regionaler Anbau schont Regenwald und Klima, und fördert die Unabhängigkeit von Importen. Um unseren Eigenbedarf an Sojafutter in Zukunft zu größeren Teilen selbst decken zu können, wäre es wichtig, unseren Fleischkonsum zu reduzieren.
Beim Einkauf von Fleisch und Sojaprodukten gilt jedenfalls: Am besten auf regionale Bio-Produkte zurückgreifen, denn der Import von Soja ist mit Regenwaldabholzung bzw. Savannenzerstörung sowie großen Treibhausgas-Emissionen verbunden.
Nur weil man zum Frühstück ein Sojajoghurt mit Früchten schlemmt, einen Cappuccino mit Sojamilch trinkt, oder gerne Tofu isst, ist man noch nicht an der Regenwaldzerstörung schuld. Diese Schuld trägt vor allem die Fleischindustrie. Mehr als 80 Prozent der Soja-Importe werden nämlich an Geflügel, Schweine und andere Tiere verfüttert. Das meiste Soja landet also “versteckt” in Form von Fleisch auf dem Teller.
Wir konsumieren in Europa im Durchschnitt jährlich über 60 Kilogramm Soja pro Kopf – ganze 55 Kilogramm davon indirekt in Form von Futtermitteln. Pro Tag entspricht das einer Menge von 164 Gramm Soja. Um einen Liter Sojamilch zu erstellen, benötigt man ungefähr 100 Gramm Sojabohnen. Veganer:innen müssten also täglich 1,64 Liter Sojamilch trinken, um auf den durchschnittlichen Soja-Verbrauch zu kommen!
Grundsätzlich werden schätzungsweise nur zwei Prozent aller Sojabohnen fürden direkten menschlichen Verzehr produziert. Soja für Sojaprodukte wie Tofu, Sojamilch, etc. stammt meist aus Europa. Soja für Futtermittel wird hingegen vorwiegend aus dem nicht-europäischen Raum nach Österreich importiert. 20 Prozent der Sojaexporte in die EU stammen aus dem Amazonas und dem Cerrado von illegal gerodetem Land. So steht der Fleischkonsum in Europa in direktem Zusammenhang mit der Abholzung und den Folgekonflikten in Brasilien.
Das Wort “Abfallprodukt” wird häufig damit verbunden, dass etwas keinen großen Wert hat und man froh sein muss, dass es überhaupt verwendet wird. Früher wurde Sojaschrot tatsächlich kaum genutzt. Erst als im ersten Weltkrieg der Bedarf an Sojaöl für Sprengstoffe massiv anstieg, suchte man nach Wegen um das Sojaschrot zu verwerten. Also begann man den Fleischkonsum zu bewerben, wodurch Sojaschrot in immer größeren Mengen als Tierfuttermittel zum Einsatz kam.
Sojaschrot ist heute aber kein Abfallprodukt mehr. Es ist im Wesentlichen eine zerkleinerte Sojabohne und entsteht, wenn aus den Bohnen das Öl gepresst wird. Das wertvolle Eiweiß bleibt im Schrot zurück. Mittlerweile wird die Sojabohne primär für Sojaschrot angebaut, um dann als Tierfuttermittel weiterverarbeitet zu werden.
China importiert die meisten Sojabohnen, während die EU am meisten Sojaextraktionsschrot einführt. Die EU ist mit durchschnittlich 33 Millionen Tonnen an Sojaprodukten weltweit der zweitgrößte Hauptimporteur von Soja.
Österreich importiert im mehrjährigen Schnitt etwa 570.000 bis 734.000 Tonnen Sojabohnen sowie Produkte davon (wie etwa Sojamehl, Sojaöl oder Sojaextraktionsschrot). Die HauptimporteureÖsterreichs sind die USA, Brasilien und Argentinien. Besonders in den letzten zwei genannten Ländern wird wertvoller Regenwald und Grasland in Sojafelder umgewandelt und ist somit besonders schlecht für Klima und Artenvielfalt.
Der Fleischkonsumin Österreich ist in den letzten Jahren relativ stabil geblieben und lag 2020 allein für den menschlichen Verzehr noch immer bei 60,5 Kilogramm pro Kopf. Die WHO empfiehlt maximal 15 bis 30 Kilogramm Fleisch pro Jahr zu essen. Würden wir unseren Konsumauf die von der WHO empfohlene Menge Fleisch reduzieren, könnten wir 2 Prozent der gesamten österreichischen Treibhausgase einsparen, das wären umgerechnet circa 1,47 Millionen Tonnen.
Tatsächlich haben wir auf unserer landwirtschaftlich genutzten Fläche aktuell nicht genug Platz, um unseren Soja-Bedarf über in Europa angebaute Pflanzen zu decken. Wir sind auf Importe aus Übersee angewiesen. Doch schon wenn wir 20 Prozent weniger Fleisch essen würden, könnten wir die komplette Menge der hierzulande benötigten Sojafuttermittel direkt in Österreich anbauen – ohne, dass zusätzliche Flächen geschaffen werden müssten.
Der Flächenbedarf der Tierhaltung in Österreich ist derzeit enorm: Auf rund 60 Prozent der Ackerfläche werden Futtermittel angebaut. Rechnet man auch noch das Weideland hinzu, dann werden rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich zu Ernährung von Nutztieren verwendet. Innerhalb der EU wurde 2017 auf 38 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Futtermittelproduktion betrieben.
Auch dieser Mythos ist teilweise richtig. 75 Prozent des importierten Soja-Futtermittels sind tatsächlich gentechnisch verändert. Das derzeit am meisten eingesetzte gentechnisch veränderte Saatgut macht die Pflanze gegen das Pestizid Glyphosat resistent. Dabei gilt das Unkrautvernichtungsmittel laut der Krebsforschungsagentur der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“. Zudem ist die Biodiversität durch den Einsatz von Herbiziden enorm gefährdet.
In Österreich wird zu 100 Prozent gentechnikfreies Saatgut für den Anbau von Soja verwendet. Außerdem müssen laut EU-Recht alle Lebensmittel, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen, wie Soja, hergestellt wurden, entsprechend gekennzeichnet sein. In den österreichischen Supermarktregalen finden sich derzeit keine solchen Produkte.
Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht. Nur bei Bio-Produkten darf kein gentechnisch verändertes Soja verfüttert werden.
Befeuert wird der Mythos von negativen Gesundheitsfolgen durch Sojaprodukte durch die in Soja befindlichen Isoflavone. Die sekundären Pflanzenstoffe haben eine ähnliche chemische Struktur wie das weibliche Sexualhormon Östrogen und zum Teil auch eine ähnliche Wirkung. Studien haben aber gezeigt, dass Soja-Kost in üblichen Mengen unbedenklich ist und keinen Brustkrebs verursacht.
Manche Studien haben sogar gezeigt, dass Isoflavone aufgrund ihrer hormonellen Wirkung Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und dem postmenopausalen Syndrom vorbeugen könnten. Diese Ergebnisse kann aber nicht jede:r Forschende bekräftigen. Einer der möglichen Gründe für Unstimmigkeiten könnten Unterschiede im Isoflavonstoffwechsel sein.
Insgesamt kann Soja aber maßgeblich zu einer gesunden Ernährung beitragen. Sowohl Eiweiß, als auch Vitamin B, Mineralstoffe wie Magnesium, Spurenelemente wie Eisen und ungesättigte Fettsäuren sind in Soja enthalten. Die U.S. Food & Drug Administration (CFR) empfiehlt pro Tag etwa 26 Gramm Sojaprotein zu konsumieren. Das entspricht etwa 300 Gramm Tofu oder 800 Milliliter Sojamilch.
Immer wieder kommt es aufgrund der enthaltenen Isoflavone auch zu Debatten bezüglich der Wirkung von Soja auf den Hormonhaushalt von Männern. Aufgrund ihres ähnlichen Aufbaus ist es Isoflavonen möglich, an denselben Rezeptoren wie Östrogen anzudocken. Dadurch können sie eine dem weiblichen Geschlechtshormon ähnliche Wirkung in stark abgeschwächter Form fördern, aber auch körpereigenes Östrogen unterdrücken (auch im Blut von Männern kommt das weibliche Geschlechtshormon auf natürliche Weise vor).
Ein negativer Effekt ist aber nicht nachgewiesen. Im Gegenteil, erste Studien haben ergeben, dass Isoflavone aufgrund ihrer Wirkung sogar Prostatakrebs vorbeugen könnten.
Forscher:innen und offizielle Behörden sind sich einig: Das Gerücht, dass Soja-Verzehr die Anzahl der Spermien verringert, oder Männern dadurch Brüste wachsen, stimmt nicht. Studien sind zu dem Ergebnis gekommen, dass weder Soja- noch Isoflavone das Testosteronlevel von Männern beeinflussen. Negative oder schädliche Wirkungen von Soja wurden hauptsächlich in Studien mit Mäusen nachgewiesen, die Isoflavone aber anders verstoffwechseln als Menschen.