So steht es um die Artenvielfalt in Österreich
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So steht es um die Artenvielfalt in Österreich

Bei bedrohten Tierarten denken viele zuerst an Tiger, Gorilla, Eisbär und andere exotische Tiere. Dabei betrifft das Massensterben längst nicht nur einzelne exotische Lebewesen, auch in Österreich ist die Artenvielfalt bedroht.

Moorfrosch
Noch ist der Balkan-Moorfrosch in Kärnten beheimatet – aber wie lange wohl noch? © Wikimedia Commons / Schosse-Sitzer

Scheinbar endlose Wiesenflächen, dicht bewachsene Wälder und eine idyllische Berg- und Seenlandschaft: Dafür ist Österreich bekannt. Nun möchte man meinen, dass unser Land nicht nur ein Potpourri an Erholungsgebieten für den Menschen bietet, auch für jegliche Tier- und Pflanzenarten sollte die österreichische Landschaft ein perfekter Lebensraum und ein Paradies für die Artenvielfalt sein – oder? Falsch gedacht. In Österreich gelten 39 Prozent aller Tierarten als gefährdet, jedes zweite Wirbeltier und 59 Prozent der Lebensraumtypen in Österreich sind bedroht. Im europäischen Vergleich beim Erhaltungszustand der Schutzgüter zählt Österreich sogar zu einem der Schlusslichter. 

Wodurch die Biodiversität bedroht wird

Eine vermeintlich vielfältige Landschaft bringt eben nicht viel, wenn man sie falsch und auslaugend nutzt oder gar versiegelt. Industrielle Landwirtschaft, Umweltverschmutzung, Ressourcenabbau sowie umfassende Bodenversiegelung haben Lebensräume vieler Arten großteils unwiederbringlich zerstört, wie eine Greenpeace-Studie aus dem vergangenen Jahr zeigt. Ökosysteme sind dynamisch und können nach massiven menschlichen Eingriffen nicht wieder hergestellt werden. Von der Zylinder-Felsenschnecke in der Steiermark, über den Hochmoor-Perlmuttfalter in Salzburg, den Balkan-Moorfrosch in Kärnten, die Mopsfledermaus in Oberösterreich, den Flusskrebs in Wien, bis hin zum Schneehuhn in Tirol – anhand konkreter Beispiele zeigt die Studie auf: All diese Arten sind entweder bereits bedroht oder könnten in Zukunft stark bedroht werden. “In Österreich sind wir mit einem bestürzenden Rückgang der Artenvielfalt konfrontiert. Dabei spielt auch die Klimakrise eine große Rolle: Denn für bereits gefährdete Tier- und Pflanzenarten werden sich die Bedingungen durch Wetterextreme, zunehmende Hitze und neu eingewanderte Arten empfindlich verschlechtern”, erklärt Lukas Meus, Biodiversitätsexperte bei Greenpeace in Österreich. 

Was Greenpeace bereits Mitte letzten Jahres aufzeigte, bestätigte der Biodiversitätsrat Ende des Jahres: Es wird zu wenig für die österreichische Artenvielfalt getan. Die Expert:innen des Biodiversitätsrates haben jene politischen Pläne analysiert, die für den Schutz der Artenvielfalt sorgen sollen. In lediglich drei von 19 untersuchten Punkten konnten die Expert:innen eine Trendänderung ins Positive erkennen. „Wir sehen, dass die politischen Unternehmungen noch viel zu mutlos sind, als dass sie dem fortschreitenden Artenverlust tatsächlich Einhalt gebieten könnten. Eine ökosoziale Steuerreform, welche dem Klimawandel nicht entschlossen entgegentritt, nimmt auch eine Schädigung der Biodiversität in Kauf“, erklärt Alice Vadrot, Politikwissenschafterin an der Universität Wien und Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates. Zwar konnte der Biodiversitätsrat erkennen, dass 2021 etwas Bewegung in die Artenschutz-Agenden der österreichischen Bundesregierung kam, jedoch kann mit den wenigen Schritten noch keine größere Wirkung erzielt werden. Übrigens: Warum Artenvielfalt wichtig ist, erklären wir dir hier genauer: Von A bis Z: Was bedeutet Artenvielfalt?

Positive Entwicklungen

Im Jahr 2021 hat Österreich einen lange angekündigten und von Biodiversitätsrat geforderten Plan in die Tat umgesetzt und ist auch der “High Ambition Coalition for Nature and People” (HAC) beigetreten. Dabei handelt es sich um eine zwischenstaatliche Gruppe von 70 Ländern, die sich für ein globales Abkommen für Natur und Mensch sowie den Schutz von mindestens 30 Prozent der weltweiten Landes- und Meeresflächen bis 2030 einsetzt. 

Die 30x30-Forderung wird 2022 auch als zentrales Thema bei der 15. Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen (CBD) diskutiert werden. Mit der Verankerung des Ziels im 10-Jahres-Plan der Konferenz werden sich Umweltschutzorganisationen, wie Greenpeace, allerdings nicht zufrieden geben. Eine konkrete Strategie zur gemeinsamen Umsetzung der Ziele soll darüber hinaus sicherstellen, dass der Zielsetzung auch Taten folgen. Denn nur, wenn unsere Regierungen endlich ins Handeln kommen, kann ein weiteres Massensterben von Pflanzen und Tieren verhindert werden.

„Wir warten mit Spannung auf die finale Version der nationalen Biodiversitätsstrategie 2030, die nun mit neuerlicher Verzögerung Anfang 2022 beschlossen werden soll. Derzeit beschäftigen sich die verantwortlichen Politiker:innen mehr mit der Klimakrise. Die damit einhergehende Biodiversitätskrise scheint hier nach wie vor nachrangig zu sein“, bemerkt Franz Essl, Ökologe an der Universität Wien und Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates. Vermeintliche Verbesserung gab es auch bei den finanziellen Mitteln für den österreichischen Artenschutz: So hat Österreich im vergangenen Jahr den nationalen Biodiversitätsfonds auf 50 Millionen Euro aufgestockt. Das ist jedoch nur ein halber Erfolg, denn vom Biodiversitätsrat wurde eine Dotierung des Fonds mit einer Milliarde Euro gefordert.

Die gute Nachricht: In Österreich gibt es trotz des fehlenden politischen Tatendrangs noch einige Regionen, in denen die Artenvielfalt besonders hoch sind. Der Nationalpark Gesäuse und der Nationalpark Neusiedler See sind zum Beispiel wahre Hotspots der Artenvielfalt in Österreich. In Seewinkel findet man 68 Prozent der österreichischen Vögel und 64 Prozent der Reptilien wieder. Im Nationalpark Donau-Auen fühlen sich vor allem heimische Fischarten (74 Prozent) und Amphibien (67 Prozent) wohl. Aber: die österreichischen Nationalparks machen lediglich drei Prozent der österreichischen Landesfläche aus. Das reicht nicht, um die nationale Artenvielfalt zu erhalten. Wir können uns nicht auf den Wiesen- und Waldflächen oder Berg- und Seenlandschaften ausruhen, sondern müssen dringend politisch aktiv werden.