Hitze, Dürre, Artensterben: Die Folgen des Klimawandels in Österreich
Lesezeit: 5 Min.
Hitze, Dürre, Artensterben: Die Folgen des Klimawandels in Österreich
Anders als der Inselstaat Tuvalu droht Österreich zwar nicht im Meer zu versinken, die Auswirkungen der globalen Erwärmung spüren wir allerdings auch hierzulande – teilweise sogar stärker als andere europäische Länder.
Claudia Dlapa
Chefredakteurin
Ein Video, das Tuvalus Außenminister Simon Kofe bei einer Rede während der Klimakonferenz COP 26 zeigte, ging um die Welt. Knietief stand er darin mit hochgekrempelten Anzughosen hinter einem Pult im Meer, um die Katastrophe zu verdeutlichen, mit der seine Heimat konfrontiert ist: Der Inselstaat Tuvalu droht als Folge des Klimawandels vom Ozean überflutet zu werden.
Zwar sind wir im Binnenland Österreich relativ sicher vor dem steigenden Meeresspiegel, vom Klimawandel verschont bleiben wir deswegen aber noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: Während die globale Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung um 1,1 Grad Celsius zugelegt hat, verzeichnen wir in Österreich bereits einen Anstieg von etwa zwei Grad. Schreitet der weltweite Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen ungebremst weiter voran, werden die Österreicher:innen, laut ZAMG, Ende des Jahrhunderts mit fünf Grad höheren Temperaturen kämpfen müssen.
Statt uns vor der Meeresflut in Acht zu nehmen, müssen wir uns also auf starke Hitzewellen gefasst machen. Doch nicht nur das – die Auswirkungen des Klimawandels in Österreich sind auf vielfältige Weise spürbar.
Ob früher wirklich alles besser war, wie man gerne sagt, ist zumeist Ansichtssache. Fakt ist jedenfalls, früher war hierzulande alles kühler. Tatsächlich betrifft die Erwärmung in Österreich alle Regionen und Höhenlagen.
Deutlich spürbar ist der Temperaturanstieg vor allem in den Städten. Sie heizen sich durch den verbauten Beton und Asphalt im Sommer besonders auf. Die meisten Landeshauptstädte verzeichneten zwischen 1961 und 1990 pro Jahr fünf bis elf sogenannter Hitzetage mit über 30 Grad Celsius. In sehr heißen Jahren mussten die Menschen an 20 solchen Tagen besonders heftig schwitzen – ein damaliger Rekordwert, der mittlerweile leider den Normalzustand beschreibt. Rekordjahre schockieren heute mit über 40 Hitzetagen.
Für Ältere, Kinder und Menschen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden bedeutet Hitze eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit. Was viele nicht wissen, in Österreich sterben in manchen Jahren mehr Menschen an den Folgen heißer Temperaturen als bei Unfällen im Straßenverkehr. Im Jahr 2015 war die Bilanz besonders erschütternd: Mit 1122 Verstorbenen zählte man doppelt so viele Hitzetote wie Verkehrstote.
Neben den Menschen leidet auch die Pflanzenwelt am Temperaturanstieg. Besonders Fichtenwälder, die in Österreich die Hälfte der Waldfläche ausmachen, kämpfen vermehrt mit Schädlingen. Der Borkenkäfer fühlt sich bei Wärme besonders wohl und hat bei den von Wassermangel geschwächten Bäumen leichtes Spiel. Zudem fördert Trockenheit die Gefahr von Waldbränden.
Was zunächst paradox klingt, ist in der Klimakrise der Normalzustand: Aufgrund der steigenden Temperaturen kämpfen wir in Österreich bereits mit intensiven Dürreperioden. Gleichzeitig hat sich die Anzahl der Tage mit starkem Regen deutlich erhöht. Auch das Unwetterrisiko ist seit den Nullerjahren um etwa 20 Prozent angestiegen.
Erklärt werden kann das Phänomen unter anderem dadurch, dass wärmere Luft auch mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Ihre Kapazität steigt pro Grad um sieben Prozent. Mehr Wasser in der Luft führt wiederum zu höheren Niederschlagsmengen. Als Folge ist auch das Risiko von Hochwasser und Murenabgängen verschärft.
Österreichs Gletscher drohen durch den Temperaturanstieg zu verschwinden. Bereits die Hälfte ihrer Fläche haben sie seit 1850 eingebüßt, 50 Prozent des Rückgangs ist auf den menschengemachte Klimawandel zurückzuführen. Expert:innen rechnen damit, dass bis 2100 etwa 83 Prozent der Gletscherfläche geschmolzen sein wird. Dadurch, dass die Gipfel in den österreichischen Alpen niedriger liegen als in der Schweiz, Italien und Frankreich, werden unsere Gletscher in den kommenden Jahren vergleichsweise stärker zurückgehen.
Durch das Abschmelzen der Gletscher gehen uns wertvolle natürliche Wasserspeicher verloren und einzigartige Ökosysteme verschwinden. Außerdem hat die Entwicklung negative Auswirkungen auf den Wintertourismus.
Im Winter laden die verschneiten Berge der Alpen zum Skifahren ein. Doch idyllische Winterlandschaften, wie wir sie gegenwärtig noch kennen, könnten bald der Vergangenheit angehören. Schon heute sind Skigebiete häufig auf energieintensive künstliche Beschneiungen angewiesen. Schneekanonen malen grellweiße Pistenstreifen in die grünen Berghänge der Alpen, auf denen Sportbegeisterte auch in den zunehmend milderen Wintern auf ihre Kosten kommen sollen. Doch der Mangel an Naturschnee lässt den Skiurlaub für viele zurecht immer weniger attraktiv erscheinen. In den kommenden Jahren ist mit merklichen Rückgängen im Wintertourismus zu rechnen.
Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass auch die Klimabilanz der Tourismusbranche selbst nicht zu den vorbildlichsten gehört. Die 7500 Pistenkilometer der österreichischen Skigebiete – eine Distanz, die der Luftlinie zwischen Wien und Peking entspricht – hinterlassen massive Spuren in der Naturlandschaft. Für den Ausbau der Strecken werden häufig Wälder und damit wichtige Lebensräume zerstört. Die Herstellung von Kunstschnee frisst zudem Unmengen an Wasser und Energie. Damit die Branche nicht weiter an ihrem eigenen Grabe gräbt, muss im Wintertourismus generell tiefgreifend umgedacht werden.
Noch dramatischer als auf den Tourismus wirkt sich der Klimawandel auf die hiesige Landwirtschaft aus. Denn immer öfter führen Dürren, Hagelschauer und Starkregen zu Ernteausfällen und Qualitätseinbußen bei den Erträgen. Außerdem muss damit gerechnet werden, dass wärmeliebende Schädlinge aus dem Süden verstärkt in unser Land vordringen werden. Im schlimmsten Fall steht durch den Klimawandel also auch unsere Ernährungssicherheit auf dem Spiel.
Österreich ist mit einer vielfältigen Naturlandschaft gesegnet, die etwa 68.000 unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause bietet. Mindestens 784 davon sind sogar ausschließlich hierzulande beheimatet, nirgendwo sonst auf der Welt. Doch auch dieser Artenreichtum ist durch den Klimawandel bedroht. Erwärmung, Wetterextreme und die Verschiebung der Jahreszeiten setzen besonders den bereits gefährdeten Arten zu – also immerhin 33 Prozent der Farn- und Blütenpflanzen und 39 Prozent der Tierarten in unserem Land.
Wie es genau um die Artenvielfalt in Österreich und ihre Bedrohung durch die Klimakrise steht, ist aufgrund mangelnder Daten schwierig zu beurteilen. Allgemein ist zu bemerken, dass einige Pflanzen und Tiere in Europa bereits nach Norden wandern und in den Alpen von niedrigeren Lagen in höhere. Nicht allen gelingt die Abwanderung rechtzeitig. Zudem kommen Ökosysteme ins Trudeln, wenn Pflanzen früher zu blühen beginnen, sich bestäubende Insekten aber nicht gleichermaßen schnell an die Klimaänderung anpassen können. Durch intensive Landwirtschaft, Pestizide und Bodenversiegelung ohnehin schon bedrohte Insekten bekommen so noch ein zusätzliches Problem.